Sonntag, 9. September 2012

Liebe Frau O,

Alles läuft schief und gerät aus der Bahn!
Mir geht es wirklich schlecht.
Und Ich habe es nicht geschafft, meine Liste einzuhalten.
Ich habe mich geritzt, gekotzt, gehungert, sodass mir schwarz vor Augen wurde, geweint, mich gehasst, von Menschen isoliert, zahlreiche Tabletten geschluckt, nicht geschlafen und Albträume erlitten.
Abgesehen davon hab Ich mich zu einer guten Schauspielerin entwickelt, eine perfekte Fassade aufgebaut.
Nur einmal hat diese Fassade einen riss bekommen. Dies geschah, als mein Bruder kam und mich fest umarmte. Ich bin augenblicklich in tränen ausgebrochen und hab ihm dann erklären müssen, wieso das dann passiert ist...
Aber ansonsten bin Ich immer noch die fröhliche, gut gelaunte S, die keinerlei Probleme hat. Das ist es nämlich, was von mir erwartet wird.

Als ob das ganze nicht genug wäre, habe Ich extrem viel zugenommen. Wirklich. Ich rolle hier als überdimensionale Kugel durch die Gegend. Fette Arme, Waden, Oberschenkel, Hüften (sowieso), Finger, Po, gigantischer bauch mit nicht vorhandener taille. Ich schäme mich für meinen Körper. Um genauer zu sein schäme Ich mich davor Ich zu sein. Ich habe Angst davor h zu sehen. Ich habe Angst davor in die Schule zu gehen. Denn es ist so schlimm. Ich kann mit diesem Körper nicht unter die Menschen treten.
H wird mich nicht mehr mögen, wenn sie sieht, wie fett Ich geworden bin. Es wird peinlich sein mit mir gesehen zu werden.
Ich kann diese blicke nicht ertragen. Die blicke in der Türkei, die blicke hier.
ALLE Menschen schauen und denken sich: schau dir mal die große, fette an!

Zu. F.E.T.T. Ich bin einfach zu fett.
Ich verdiene es nicht, zu essen.
Ich verdiene es nicht, Spaß zu haben.
Ich verdiene es nicht, schöne Sachen zu tragen oder zu sehen.
Selbst der Blick aufs Meer sollte mir nicht gegönnt werden.

Ich befinde mich in der Hölle. Teilweise.

Ich bin krank und doch bin ich es nicht.
Ich versteh mich selbst nicht mehr.
Ich weiß nicht wer Ich bin.
Wer Ich war.
Was los ist.
Was ist los?


Das ist die textstelle aus einem "erschütternden" Text, das ein Mädchen auf ihrem blog veröffentlicht hat:
(Link: http://seelentreibsandx3.blogspot.de/2012/08/ana-werden-ole-ole.html?m=1 )

"Deine Eltern werden sich wegen dir die Stimme aus dem Hals klagen und sich in den Schlaf weinen, weil ihr kleines Mädchen langsam vor ihren Augen stirbt und sie nichts dagegen tun können."

Diese Stelle klingt so grausam und doch so toll. Als Ich mir den Text durchgelesen habe, blieb Ich von den meisten Sachen unberührt, bzw. Es ließ mich kalt. Ein achselzucken hier, ein "Na und?!" da. Allerdings hat mich dieser Satz sehr angesprochen.
Der Vorstellung, dass meine Eltern unglücklich sind finde Ich schrecklich. (V.a. wenn es wegen mir wäre)
Aber der Gedanke, dass sie sich Gedanken um mich machen, dass sie einen Teil ihrer Zeit an mich verschwenden und dass sie sich um mich SORGEN, das klingt so schön. So unwirklich. Ja eigentlich schon fast utopisch.

Ich weiß, dass meine Eltern mich lieben.
Ich sehe wie sie versuchen mich zu unterstützen, mir Wege und Möglichkeiten offen zu halten. Ich weiß und manchmal spüre Ich es sogar. Ich kann es allerdings nicht nachvollziehen. Ich würde mich nicht mögen, geschweige denn lieben. Ich bin nicht liebenswert. Ich bin nichts. Dreck. Scheiße. Unwichtig. Wertlos. Nichts wert. Man könnte king gegen 1 Pfennig austauschen und hätte einen Riesen Gewinn gemacht.

Hahaha. Es ist wirklich alles zum totlachen.
Denn Ich will nicht in eine Klinik. Ich will nicht zur Ernährungsberatung. Ich will nicht gesund werden. Ich will nicht glücklich werden. Ich will einfach nur dünn werden. Haut und Knochen. Einfach nur haut und Knochen.
Alles muss herausstechen. Die Schlüsselbeine, die rippen, die Hüftknochen, Schulterblätter, Wirbelsäule, die kniescheiben, einfach alles
Und das schönste von allem: eine riesige Lücke zwischen den oberschenkeln.
So schön. Aber ibh bin noch so weit davon entfernt. Mindestens 30 kg müssen noch runter. Vielleicht bin Ich dann zufrieden. Und mit der Zufriedenheit kommt nach einer Zeit das mir so fremde Gefühl von Glück.

Und wenn das nicht klappt: schließlich Leben wir in einer Welt in der täglich viele tragische Unfälle passieren...
(Aber es wird klappen. Es muss. Auch wenn Ich daran zugrunde gehe...)

LG S

1 Kommentar:

  1. Es tut mir so weh das zu lesen, wirklich.
    Ich würde dir so gerne helfen, dich in den Arm nehmen.
    Denn genauso ging es mir noch vor wenigen Wochen. Total am Ende, so viel zugenommen....ich wollte nur noch sterben, ich bin vor mich hinvegetiert.
    Hast du schon überlegt ob du mit mir in Facebook schreiben willst? Dann können wir mal reden, vielleicht kann ich dir irgendwie helfen.
    Alles Liebe <3

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